Zuletzt aktualisiert: 17.09.2024

Ausstellung „Farben fühlen“ Interview mit der Künstlerin Sabrina Döpp

„Wie kann ich meine Gefühle ausdrücken?“ – Diese Frage beantwortet die Künstlerin Sabrina Döpp in ihren Werken, die ab dem 8. Januar in einer Ausstellung im Haus der Union Stiftung zu sehen sind.

In drei unterschiedlichen Werkgruppen thematisiert Sabrina Döpp die große Welt der Emotionen: Im Erdgeschoss des Hauses laden zunächst geometrische, mit Aquarellfarben, Bleistift und Acryl auf Papier gebrachte Arbeiten zur Betrachtung ein. Die Betrachter sehen überwiegend in Kreisen angeordnete Quadrate, die geviertelt sind. Die neu entstandenen kleineren Rechtecke wiederum sind zum Teil von horizontalen, vertikalen oder diagonalen Linien durchbrochen, aus anderen entspringen Spiralen, die im Kreisrund enden. Hervorstechend sind Pfeile, die mal den Gesamtkreis zu umgeben, mal auf das Kreisinnere, seinen Gehalt abzuzielen scheinen. Im Treppenhaus folgen die Besucher dann einer Reihe polychromer Acrylgemälde, deren Farbbereiche fast immer hellere Punkte miteinschließen.Im ersten Geschoss hingegen entdecken die Betrachter Collagen aus alten Zeitungen, die durch den Auftrag von Acrylfarben und Stoffen das eigentliche Schriftbild kaum noch erkennen lassen. Durch die künstlerische Überformung erlangen die einstigen Druckwerke einen neuen, eigenständigen Geltungswert.

Sabrina Döpp hat abstrakte Malerei, Media, Art und Design mit den Schwerpunkten kreatives Schreiben und experimentelles Theater bzw. experimenteller Film an der Hochschule der Bildenden Künste Saar studiert. Die zur Ausstellung gelangenden Arbeiten sind ein Ausschnitt aus ihrem Œuvre, das noch weitere Kunstgattungen umfasst.

Guten Morgen Frau Döpp. Sie haben sich als auch filmschaffende Künstlerin Gedanken über Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz, gerade im Bereich der Filmkunst, wahrscheinlich aber auch für Kunst im Allgemeinen gemacht. Ist die analoge Kunst, die Malerei ein Refugium, in dem man seine Gedanken und Emotionen authentisch, ja überhaupt menschlich ausdrücken kann?

Ja, denn Malerei hat für mich etwas unglaublich Persönliches an sich. Es gibt diesen Moment, in dem Hamlet sich selbst gegenübersteht. Und das ist für mich auch in der Malerei vorhanden, denn wenn man eine Leinwand vor sich hat oder einfach ein leeres Blatt, so blickt es einen – da man sich in einer gewissen Weise selbst malt – zurück an. Das ist für mich die Essenz von Kunst, von Malerei, auch von Film. Es geht dabei immer um einen Teil des eigenen Ichs.

Ihre Ausstellung trägt den Titel „Farben fühlen“. Wie kann man Farben fühlen? Geht es dabei primär um einen Prozess in Ihnen als Künstlerin oder zielen Sie auch bewusst auf die Rezeption durch den Betrachter, das Auslösen von Emotionen in ihm ab?

Meine Bilder sind vollkommen frei von Vorschriften. Ich glaube, ich verarbeite in ihnen ein bisschen meine Synästhesie. Farben haben für mich Geschmäcker, Gerüche, Klänge. Zahlen wiederum sind Farben. Alles ist miteinander verbunden. Manchmal scheint es schwer erklärbar, wenn ich sage: Das Lied fühlt sich blau an, oder die Farbe Petrol schmeckt nach Zimt. Wenn ich an etwas Künstlerisches herangehe, dann ist immer ein Text die Grundlage, auch bei meinen Bildern. Jeder Text hat für mich eine Farbe oder mehrere Farben. Zum Beispiel ist Goethes „Faust“ für mich blau und gelb. Hamlet ist für mich dunkelblau und grellpink. Kafkas „Prozess“ ist für mich dagegen weiß und hellgrün. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber es ist da. Das ist für mich ein guter Startpunkt, wenn ich etwas Künstlerisches machen will. Mit Bildern bringe ich das den Menschen vielleicht näher, und sie entdecken dann in sich eine Verbindung zu Farben, wie sie vorher von ihnen noch nie bemerkt wurde.

Sie sprechen von sieben Basis-Emotionen und lehnen sich damit an die Forschung des amerikanischen Psychologen Paul Ekman an. Was vermittelt Ihnen die Psychologie als Wissenschaft?

Die Psychologie ist gut erforscht, aber noch nicht zur Gänze. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mehr Basis-Emotionen als nur diese sieben gibt. Ich glaube tatsächlich, dass Liebe eine Basis-Emotion ist. Man kann bedingungslose Liebe für etwas oder jemanden empfinden und das ist letztlich die Basis von allem. Ich unterscheide bewusst zwischen einer eher physischen Verarbeitung von Emotionen und einer Verarbeitung in der Seele, denn ich bin davon überzeugt, dass es so etwas wie eine Seele gibt. Ich glaube, dass die Seele anders mit Emotionen umgeht als der Körper oder das Bewusstsein. Dabei kommt es drauf an, ob das Bewusstsein mit ihr verknüpft ist oder nicht.

Ihre Ausstellung gliedert sich in drei Bereiche mit unterschiedlichen Techniken und Ausdrucksformen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie abstrakt gehalten sind und Emotionen thematisieren. Wieso wählen Sie mehrere künstlerische Herangehensweisen an diesem Themenkomplex?

Weil ich gedanklich anders an die Inhalte herangegangen bin. Bei dem Thema Basis-Emotionen wird man erst einmal denken, ja, Emotionen. Man greift zu einem Stift, zu einem Pinsel und malt drauf los. Aber ich habe mir vorher ausführlich Gedanken gemacht, recherchiert und mir Texte dazu aufgeschrieben. Anhand dieser Texte habe ich dann gemalt. Man merkt, dass es sehr gegliedert ist: Es gibt geometrische Formen und die sind ganz genau angeordnet. Es gibt Pfeile, um die Richtung zu bestimmen. Bei den sehr abstrakten Bildern mit Acryl auf Leinwand habe ich mich quasi gezwungen, mal nicht nachzudenken, tatsächlich den Pinsel in die Hand zu nehmen, eine Farbe zu greifen, die mir in dem Moment zugesagt hat, und drauf loszumalen. Einfach, um mal diesen Prozess anzustoßen.

Und jetzt gibt es noch die Zeitungscollagen …

Die sind tatsächlich der Corona-Zeit geschuldet gewesen. Das war wirklich eine Impulshandlung. Da waren die Zeitungen, ich hatte Farbe, ich hatte Stoffe, ich habe etwas ausgeschnitten und alles zusammengeworfen. Da habe ich auch keine Pinsel benutzt, sondern einen Spatel. Das war tatsächlich befreiend, so etwas spontan zu machen.

Gerade ihre geometrischen Bilder verblüffen mich. Was motiviert Sie, Emotionen, die mitunter klar hervortreten, am meisten aber doch im Fluss oder im Ungefähren angesiedelt sind, in geometrische Formen zu packen?

Wahrscheinlich, weil ich selbst verstehen möchte. Das war, wie ich glaube, der Ansatz. Ich weiß nicht, ob das so eine Art Lebensaufgabe für mich ist, aber ich würde gern meine eigene Sprache finden, um die Welt zu erklären, so wie ich sie sehe. Für mich war der erste Schritt, erst mal bei mir anzufangen und zu überlegen, wie fühle ich mich, wieso fühle ich mich so und wo gehen diese Gefühle hin?

Daher auch die Pfeile?

Daher die Pfeile, genau. Ich kann nicht genau sagen, woher es kommt, aber so sehen diese Emotionen für mich aus, wenn ich die Augen schließe. Dann fühlt es sich für mich so an und sieht so aus. Es ist ein Prozess, den ich selbst nicht erklären kann, aber deswegen habe ich es ja gemalt. Einfach um es In einem Bild darzustellen, mich auszudrücken, um mit meiner Sprache zu sagen: So ist das für mich.

Sie haben zu jedem Ihrer ausgestellten Werke einen kurzen Begleittext verfasst, der einen erläuternden, beinahe wissenschaftlichen, zugleich aber lyrischen Charakter hat. Warum ist es Ihnen wichtig, Ihre Kunstwerke auch selbst schriftlich zu vermitteln, wie wichtig ist Ihnen das geschriebene und gesprochene Wort?

Eigentlich ist es das Wichtigste für mich. Wenn ich in der Kunst meine große Liebe beschreiben müsste, so ist es das Schreiben. Das ist das Erste, was ich angegangen habe, auch in meinem Studium und das war auch ein Prozess: hin zur Malerei. Malerei ist für mich eine Entwicklung aus der Sprache heraus, und mein Ziel ist es, dies in Zukunft auch miteinander zu kombinieren, vielleicht auch zur Malerei längere Texte zu verfassen. Mein Ziel ist es immer, meine eigene Sprache zu finden mit Sprache und Malerei.

Haben Sie einen Wunsch, der sich mit der Ausstellung verbindet?

Ins Gespräch zu kommen mit Menschen. Vielleicht wird es auch möglich sein, nach einem Durchgang durch die Ausstellung selbst seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.

Die Fragen stellte Oliver Siebisch

Die Ausstellung befindet sich bis 21. Februar im Haus der Union Stiftung.

Weitere Informationen und Termine für das nächste Kunstfrühstück mit der Künstlerin finden Sie auf www.unionstiftung.de/veranstaltungen